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Prof. Dr. Hans Stimmann bei seinem Vortrag im Gartensaal des Schlösschens im Hofgarten. -- Foto: Friedrich Lehmkühler |
Der Architekt und Hochschullehrer Hans Stimmann arbeitete durch Vergleiche mit seiner Heimatstadt Lübeck, die sich sofort nach dem Krieg für einen Wiederaufbau der zerstörten Altstadt entschieden hatte, und Hinweise auf Einflüsse der West-Berliner Partnerstadt Los Angeles und der russischen Hauptstadt Moskau als zweier Vorbilder von Planern auf mitreißende Weise das Spannungsfeld heraus, in dem sich die Berliner Stadtplanung vor und nach der Wende wiederfand.
Die Mitte des alten Berlin hatte nach 1945 zum Ostteil der Hauptstadt gehört und ihr Heil in großflächigem Abräumen der gewachsenen Strukturen und Neuplanung in monumentalen Maßstäben gesucht. In entscheidenden Jahren nach der Wende hatte Stimmann im Widerstreit der Meinungen an vorderster Front unter anderem mit dafür gesorgt, dass Berlins Mitte bis jetzt frei von Wolkenkratzern geblieben ist.
Stimmanns Kampf für eine maßstäblich angemessene Neuerfindung der alten Mitte entspringt einer Überzeugung, die die Strukturen der alten europäischen Städte nicht als Ausdruck überwundener Herrschaftsformen versteht, sondern als identitätsstiftenden Bezugspunkt auch für die Menschen von heute. Heinrich Zille, Auslöser von Ausstellung und Vortrag, hatte seine Fotografien und Zeichnungen aus engen und verwinkelten Gassen der Berliner Altstadt noch als soziale Anklage verstanden. Der Umgang von Städten wie Lübeck und Wertheim mit ihrem mittelalterlichen Erbe hat andere Grundlagen und Ansätze.
Stimmanns grandioser Vortrag, der gut ein paar mehr als die rund 50 Zuhörer vertragen hätte – vielleicht auch Baufachleute aus Gemeinderat und Stadtverwaltung –, ermutigte alle, denen die dem Menschen angemessenen Proportionen unserer alten Städte mehr sind als Manövriermasse für Technokraten. (Lk)